die uffizien verklagen das modehaus von jean paul gaultier. warum? der französische designer hatte dieses jahr eine neue kollektion, genannt „le musèe“ (frz. für „das museum“), herausgebracht. die kollektion besticht mit einigen der klassischen europäischen kunst entnommenen motiven, unter anderem der „geburt der venus“. dieses gemälde wurde in den 1480ern von alessandro filipepi, genannt sandro boticelli gemalt und hängt seit der mitte des 16. jahrhunderts in dem von giorgio vasari (der selbst eine biografie über den künstler schrieb) erbauten museum in florenz.

gaultiers unternehmen habe laut den italienern das motiv der venus für die herstellung einiger kleidungsstücke verwendet und diese auch in den sozialen netzwerken und auf der eigenen website beworben, ohne eine erlaubnis einzuholen, nutzungsbedingungen zuzustimmen und eine gebühr zu entrichten, wie es das gesetz ausdrücklich verlange.

mit immaterialgüterrechtlichen fragen bewandte leser dürften stutzen, wie man darauf kommen könnte, dass jemand ausschließlichkeitsrechte an über 500 jahre alten bildern haben könnte. wer § 64 des deutschen urhg aufschlägt, erkennt beispielsweise, dass urheberrechtlich geschützte werke 70 jahre nach dem tod des urhebers gemeinfrei werden. das bedeutet, dass sie ab diesem zeitpunkt von jedermann verwendet werden können.

auch sonst kennt man die botticelli’sche venus auf postkarten, postern oder kaffeetassen. wie kommt es nun also dazu, dass gaultier bei der verwertung der venus nicht mitmachen dürfen soll?

der codice dei beni culturali

in italien gibt es nun eine regelung im sog. codice dei beni culturali, gegen die gaultier verstoßen habe. dieses italienische kulturgüterschutzgesetzbuch dient dem schutz von objekten, die „von künstlerischem, historischem, archäologischem und ethnisch-anthropologischem interesse“ sind. mit einer solchen einstufung auch von gemeinfreien werken geht gem. art. 107 und 108 des gesetzes die gesetzliche verpflichtung einher, dass jeder, der die werke kommerziell nutzen will, bei der jeweiligen institution eine genehmigung beantragen und eine gebühr zahlen muss, falls dem antrag stattgegeben wird.

ziel dieser regelung ist es, dass das reichhaltige kulturelle erbe italiens nicht verwertet werden darf, ohne dass die institutionen des landes daran teilhaben können. so erhofft sich die republik eine einnahmequelle zur erhaltung ebendieses kulturerbes. die höhe der lizenzgebühr hängt dabei von den umständen des einzelfalls ab, gerade bei hohen zu erwartenden einnahmen liegen die kosten dann entsprechend hoch. laut dem britischen guardian könnte es im vorliegenden fall um über 100.000 euro gehen.

normalerweise kennen sich europäische modehäuser mit dieser regelung gut aus. das besondere ist im vorliegenden fall, dass gaultier die rüge der uffizien einfach ignoriert hatte.

es gibt allerdings ausnahmen zu dieser gesetzlichen verpflichtung, so etwa für private oder künstlerische nutzungen. es könnte gut sein, dass gaultier sich in diesem rechtsstreit erfolgreich auf letztere ausnahme berufen könnte.

aktuelle entwicklungen im urheberrecht

wie dargelegt ist die urheberrechtliche schutzfrist für botticellis werk vor langer zeit abgelaufen. vor 500 jahren sprach genau genommen noch niemand über ein urheberrecht. die großen klassiker der kunst sind allesamt schon gemeinfrei.

was man mit solchen werken dann tun darf und was nicht, ist aber bis heute zwischen den akteuren der kulturindustrie strittig. in europa gab es schon einige prozesse über die auslegung von verträgen, über fotoverbote in museen oder wettbewerbsrecht. die europäische union hat daher in der 2019 erlassenen richtlinie über den digitalen binnenmarkt („dsm-richtlinie“) eine regelung geschaffen, wonach nach ablauf der urheberrechtlichen schutzfrist keine verwandten schutzrechte an visuellen werken mehr bestehen können.

verwandte schutzrechte sind dem urheberrecht ähnliche ausschließlichkeitsrechte im kultursektor, dazu gehören beispielsweise schutzrechte von ausübenden künstlern oder datenbankleistungsschutzrechte. vor allem aber sollte art. 14 der dsm-richtlinie leistungsschutzrechte von fotografen ausschließen, da so dritte, die diese fotos benutzen, weil sie wegen der gemeinfreiheit davon ausgehen, dass sie das dürfen, „in die falle“ tappen. dies hat von nutzerseite unmut geschaffen.

art. 14 der dsm-richtlinie lautet:

„die mitgliedstaaten sehen vor, dass nach ablauf der dauer des schutzes eines werkes der bildenden kunst material, das im zuge einer handlung der vervielfältigung dieses werkes entstanden ist, weder urheberrechtlich noch durch verwandte schutzrechte geschützt ist, es sei denn, dieses material stellt eine eigene geistige schöpfung dar.“

museen haben aber immer wieder darauf hingewiesen, dass diese schutzrechte benötigt werden, um wichtige einnahmen bsp. aus dem verkauf hochwertiger postkarten zu generieren.

wie es nach erlass und umsetzung der dsm-richtlinie mit foto-leistungsschutzrechten weitergehen wird, ist noch unklar. vieles spricht dafür, dass die bisherige, institutionenfreundliche rechtsprechung der gerichte durch art. 14 der dsm-richtlinie nicht berührt wird. vielleicht schlagen die gerichte aber auch eine neue richtung ein. so hat bereits in den 80ern ein bremer gericht ausgeführt, dass die aufs eigentum an den werkoriginalen gestützten verbotsrechte (das sog. „recht am bild der eigenen sache“) nicht weiter gehen könnten, als urheberrechtliche befugnisse. daran könnte man erneut anknüpfen und so würde auch der sinn dieses richtlinienteils, den zugang zum kulturellen erbe europas zu erleichtern, gefördert.

dies stellt dann auch die interessante frage, ob solche regelungen wie im italienischen codice dei beni culturali in diesem kontext europarechtskonform sind. dies hätte weil europarecht dem nationalen recht vorgeht, die folge, dass das nationale recht insoweit ein konflikt besteht, nicht angewandt wird.